Kritik am 7-Punkte Plan der Landesregierung: Zusammenarbeit statt Populismus

Die Hessische Landesregierung hat einen 7-Punkte-Plan gegen den Drogenkonsum im Frankfurter Bahnhofsviertel entwickelt. Die Fraktion Volt im Römer und die Partei Volt Frankfurt äußern starke Kritik.

Boris Rhein möchte das Bahnhofsviertel für Suchtkranke schließen – das zeugt von Realitätsferne und Ahnungslosigkeit.

Mit einem Schwerpunkt auf repressiven Maßnahmen meint der Ministerpräsident, die Problematiken des Frankfurter Bahnhofsviertels lösen zu können. Einige Vorschläge schießen weit über das Ziel hinaus und werfen rechtliche Fragen auf. So heißt es im 7-Punkte-Plan der Landesregierung, dass KI-unterstützte Videoüberwachung und die zwangsweise angeordnete Unterbringung von Suchtkranken in psychiatrischen Kliniken notwendig wären, um das Bahnhofsviertel für Suchtkranke zu schließen. 

Öffentliche Videoüberwachung ist immer mit einem sensiblen Eingriff in Persönlichkeitsrechte verbunden. Dort, wo sie eingesetzt wird, muss dies immer sehr gut begründet sein. Seit 2024 setzt dies die Stadt Frankfurt an mehreren Standorten im Bahnhofsviertel um. Die KI-unterstützte Videoüberwachung geht nochmal einen Schritt weiter. Laut Bitkom-Studie aus 2023 sind 75 % der Deutschen gegen eine biometrische Videoüberwachung. Denn KI-unterstützte Videoüberwachung ist nicht ohne Risiken: Der breite Eingriff in die Privatsphäre durch Überwachung darf nicht dafür sorgen, dass man sich nicht mehr in die Öffentlichkeit traut. Zudem besteht das Risiko unzulässiger Nutzungen des Systems. Die hessische Landespolizei war bereits in der Vergangenheit Opfer unzulässiger Zugriffe auf polizeiliche Informationssysteme, wie im Fall des NSU 2.0. 

Auch die vorgeschlagene Zwangseinweisung von Suchtkranken widerspricht sämtlichen Bürgerrechten und entwürdigt Menschen in Not. Zudem ist die Therapiebereitschaft wesentliche Voraussetzung für den Therapieerfolg. “Faktisch spricht sich die Landesregierung dafür aus, dass gesellschaftliche Probleme unsichtbar gemacht werden sollen, indem kranke Menschen einfach weggesperrt werden sollen. Dies stellt eindeutig einen politischen Missbrauch der Psychiatrie dar und sollte alle Alarmglocken aufschrillen lassen.” so Johannes Hauenschild, sicherheitspolitischer Sprecher der Volt-Fraktion.

Der 7 Punkte Plan der Landesregierung ist geprägt von bevormundenden Maßnahmen und dem Ziel, in Frankfurt hinein zu regieren. Was fehlt, ist der nötige Respekt für die Organisationen vor Ort, die sich im Bahnhofsviertel für Prävention und Therapie einsetzen,” so Christian Tobias Pfaff, Local Lead von Volt Frankfurt. Weiterhin stellt er fest: “Die Landesregierung erinnert in ihrem Auftreten an die trump’sche Rhetorik, ‘Law and Order’ in demokratisch regierte Städte bringen zu wollen – im Zweifelsfall mit Gewalt. Dahinter steht der Irrtum, es besser zu wissen als die Akteure vor Ort.“

Britta Wollkopf, sozialpolitische Sprecherin der Volt-Fraktion, kritisiert die Maßnahmen: “Repression ist und bleibt Teil des Frankfurter Wegs. Trotzdem müssen Grundrechte gewahrt bleiben und repressive Maßnahmen dürfen nicht die Schwächsten im Bahnhofsviertel, die Suchtkranken, treffen. Dass ihre Verdrängung keine Probleme löst, sondern sie nur an andere Orte verschiebt, ist nicht nur einfache Logik, sondern sollte auch inzwischen allen Beteiligten bekannt sein. Das ist keine Drogenpolitik, das ist naives Wunschdenken.

Diese Verdrängung will Rhein auch dadurch fördern, dass er “Beratung, Betreuung und Behandlung nicht mehr dort stattfinden [lassen will], wo auch Beschaffung und Betäubung möglich sind.” (FAZ, 09.03.25) Hierbei vergisst er, dass Beratungsangebote nur angenommen werden, wenn diese auch bei den Kranken vor Ort angeboten werden. Außerdem werden sich Drogenhändler und -abhängige aufgrund ihrer Symbiose stets an den gleichen Orten aufhalten. Um die Situation im Bahnhofsviertel zu verbessern, wäre es stattdessen wichtig, dass andere Kommunen Unterstützung von der Landesregierung zur Einrichtung eigener Hilfsangebote bekämen.

Weiterhin fokussiert sich die Landesregierung zu stark darauf, Dealern Aufenthaltsverbote auszusprechen, statt die eigentliche Ursache, nämlich die Drogenbanden im Hintergrund, zu überführen. “Es ist hinlänglich bekannt, dass Straßendealer in der Rauschgiftkriminalität relativ irrelevant sind und schnell ersetzt werden, sobald andere im Gefängnis sitzen. So erzeugt man alle paar Monate medienwirksame Schlagzeilen, aber keine Veränderung der Situation vor Ort. Zudem lassen sich Drogendealer nur bedingt durch Aufenthaltsverbote abschrecken.” so Johannes Hauenschild. Er führt aus: “Die Ahnungslosigkeit über die tatsächliche Drogenszene im Bahnhofsviertel zeigt sich auch durch die Beschreibung der Drogenszene als ‘aggressiv’. Diese wird dem Großteil der Suchtkranken überhaupt nicht gerecht und generalisiert auf gefährliche Weise, wodurch Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung weiter geschürt werden.

Konstruktiver äußert sich die Sozialministerin Heike Hoffmann. Ihren Hinweis auf die präventive Bekämpfung von Wohnungslosigkeit von Jugendlichen, die aus einer psychiatrischen Klinik oder einer Haft kommen, begrüßen wir. Auch den Verweis auf den “Housing-First”-Ansatz unterstützt die Volt Fraktion, die mit der Römer-Koalition in Frankfurt  bereits Housing-First-Projekte umsetzt. “Hier sollte die Landesregierung weniger prüfen, sondern die Kommunen konkret unterstützen. Housing First ist keine Frankfurter Erfindung, sondern ein europäisches Best-Practise – es funktioniert. Damit das mehr Organisationen umsetzen können, bräuchte es beispielsweise eine feste finanzielle Unterstützung seitens des Landes. In NRW gab es das schon einmal und Berlin ist hier aktuell bundesweiter Vorreiter“, so Martin Huber, Fraktionsvorsitzender von Volt im Römer.

Rhein behauptet in der FAZ (09.03.25), dass in das Land “in den vergangenen Jahren in großem Umfang Haushaltsmittel für die Beratung, Betreuung und Behandlung von Drogenabhängigen bereitgestellt” habe. Tatsächlich liegt der Anteil der Landesressourcen, welche nötig wären, um die Versorgung von Suchtkranken aus dem Frankfurter Umland und Hessen zu gewährleisten, deutlich unter den hierfür benötigten Mitteln. Stattdessen zahlt hauptsächlich Frankfurt die Zeche für eine Unterversorgung andernorts.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Boris Rhein und die Landesregierung statt ernsthafter Lösungen in Zusammenarbeit mit der Stadt nur populistische Forderungen anzubieten haben, welche das Vertrauen in den Staat mittelfristig eher untergraben, statt zum erklärten Ziel beizutragen, neues Vertrauen in die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie zu schaffen, gerecht zu werden. “Mit Zwangseinweisungen und biometrischer Videoüberwachung schafft man jedenfalls kein Vertrauen in den Staat. Anstatt nach Frankfurt hineinregieren zu wollen, sollte Boris Rhein lieber auf andere Kommunen zugehen und diese auffordern und unterstützen, endlich die Versorgung von Suchtkranken vor Ort anzugehen”, so Johannes Hauenschild abschließend.

aktuelle Pressemitteilungen

Statement zum Kulturcampus

Unsere kulturpolitische Sprecherin Britta Wollkopf, würdigt die heute vorgestellte Planung als gutes Signal für das Projekt Kulturcampus: “Nachdem noch vor kurzem unsicher schien, ob die

Read More »

Die Partei

Volt Frankfurt ist Teil von Volt Europa – der ersten paneuropäischen Partei. In Frankfurt, im Herzen Europas, kämpfen wir für eine fortschrittliche, nachhaltige und geeinte EU. Wir arbeiten nach dem Motto: Global denken, lokal handeln.

Fast eine Million Menschen leben und arbeiten in Frankfurt. Die Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, teilen wir mit über 100 Millionen Menschen in Metropolen in ganz Europa. Volt steht für das urbane Leben von morgen, mit fortschrittlichen und pragmatischen Lösungen.

Wir wollen Konzepte umsetzen, die sich in anderen europäischen Städten bereits bewährt haben. Ob Mietsenkungen wie in Wien, Radfahren wie in Kopenhagen oder digitale Behördendienste wie in Estland: Wir wollen Probleme lösen, statt sie nur auf den nächsten Wahlzyklus zu verschieben.

Nach oben scrollen
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner