Housing First in Frankfurt etablieren

NR 965

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Housing First wird als ein wichtiger Baustein in der Bekämpfung gegen Obdachlosigkeit in der Stadt Frankfurt etabliert.

Dazu wird der Magistrat beauftragt, ein Konzept zur Implementierung und Unterstützung von Housing-First-Projekten aufzulegen und so zu gestalten, dass es am bestehenden System der Obdachlosenhilfe optimal andockt. In dem Konzept soll eine Klärung der Zielgruppen und Anforderungen erfolgen, die auf den festgelegten Grundprinzipien von Housing First basieren. Je nach Kompetenzen und Zuständigkeiten ist zudem zwischen der Wohnraumbeschaffung, der Wohnungsverwaltung und der sozialdienstlichen Betreuung zu unterscheiden. Das Konzept ist der Stadtverordnetenversammlung vorzulegen.

Die Erfahrungen aus den bereits bestehenden Housing First-Projekten sind in die Erstellung des Konzepts einzubeziehen. Im Rahmen des Konzepts soll erhoben werden:

– wie hoch der Wohnraumbedarf ist

– wie hoch der Bedarf an zusätzlichen finanziellen und personellen Ressourcen ist und wie diese gedeckt werden könnten,

– wie durch Öffentlichkeitsarbeit die Ansprache von Eigentümer*innen und Vermieter*innen gestärkt werden kann

– welches Potential für Spenden besteht 

Des Weiteren wird der Magistrat beauftragt, im Rahmen des Konzepts eine Strategie für die Wohnungsakquise und ein Finanzierungsmodell zu erstellen. Hierbei ist zu prüfen, welche aktuell zur Verfügung stehenden städtischen Liegenschaften sich für Housing First-Projekte eignen. Freiwerdende Wohnungen und Liegenschaften sind regelmäßig auf ihre Eignung hin zu überprüfen. Bei der Verhandlung von städtebaulichen Verträgen soll zukünftig versucht werden, feste Kontingente sowohl für Housing First-Projekte als auch für weitere Personengruppen mit dringendem Wohnbedarf festzulegen. Auch unabhängig von festen Vereinbarungen soll eine Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Wohnungsbaugesellschaften sowie privaten Vermieter*innen geprüft werden. Bei der Erstellung des angesprochenen Finanzierungsmodells werden städtische Förderungsmöglichkeiten geprüft.

Zusätzlich wird der Magistrat gebeten, sich bei der Landesregierung für ein landesweites Förderprogramm für Housing First-Projekte in Hessen einzusetzen. 

Begründung:

In Frankfurt soll kein Mensch unfreiwillig in der Obdachlosigkeit leben müssen. Eine eigene Wohnung ist ein zentrales Grundbedürfnis und Menschenrecht. Sie gibt den Menschen Halt und Würde, ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben und stellt die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sicher. Das Europäische Parlament hat die Mitgliedsstaaten in einer Entscheidung im Jahre 2020 dazu aufgerufen, Obdachlosigkeit innerhalb von zehn Jahren bis zum Jahre 2030 zu beenden. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten vermehrt Housing-First-Projekte umsetzen, hierzu will Frankfurt einen Beitrag leisten.

Housing First ist ein moderner Weg in der Obdachlosenhilfe, der in den 1990er Jahren in den USA entwickelt wurde, um die Wohnungslosigkeit von Menschen mit hohen Bedarfslagen zu reduzieren und basiert auf einem umfassenden Konzept. Housing First bedeutet im Kern, Menschen ohne eigene Wohnung möglichst schnell, bedingungslos und unbefristet wieder eine eigene Wohnung mit eigenem Mietvertrag zur Verfügung zu stellen. Davon ausgehend kann bei fortlaufender Unterstützung der Weg hin zur sozialen und beruflichen Integration geebnet werden. Housing First bedeutet daher nicht „Housing Only“. Hinter dem Konzept steht neben der Bereitstellung einer eigenen Wohnung auch ein umfassendes Hilfs- und Betreuungsangebot. Dies erfolgt niedrigschwellig und individuell. Durch die Sicherheit der eigenen Wohnung kann der Fokus bei der sozialen Arbeit verstärkt auf die ursprünglichen Probleme gelegt werden. Betroffene müssen keine Kraft für Herausforderungen aufwenden, die durch die Obdachlosigkeit zusätzlich entstehen.

Best-Practice-Beispiele gibt es bereits sehr viele. Insbesondere Finnland, das als erstes europäisches Land Struktur und Ziele von Housing Frist auf nationaler Ebene anwendet, kann große Erfolge vorweisen. Die Anzahl obdachloser Menschen hat sich dort – seit das Konzept eingeführt wurde – fast halbiert. Zudem konnten jährlich 15 Tausend Euro je zuvor obdachloser Person eingespart werden. In Deutschland wird Housing First in einigen Städten auf verschiedene Weise praktiziert, beispielsweise in Berlin, Hannover, Köln, Düsseldorf oder Leipzig. Der Bundesverband für Housing First bündelt die Erfahrung und Expertise aus über 20 Städten und kann damit neue Projekte in Deutschland unterstützen und beraten. Die Bundesregierung hat inzwischen einen Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit erarbeitet, um die Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden, wie es auch dem Ziel des Europäischen Parlaments entspricht. Darin ist Housing First ein wesentlicher Bestandteil. In Rheinland-Pfalz wurde 2022 beispielsweise schon ein Landesförderprogramm für Housing-First-Projekte eingeführt. Auch in Frankfurt gibt es bereits Housing First-Projekte, die erfolgreich arbeiten – trotz der ungünstigen Ausgangsbedingungen auf dem überlasteten örtlichen Wohnungsmarkt.

Die Finanzierung von Housing First kann über Spenden, Fördergelder und/oder öffentliche Gelder erfolgen. Für die Zurverfügungstellung von Wohnungen ergeben sich ebenfalls unterschiedliche Möglichkeiten, beispielsweise die Kooperation mit privaten oder öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, mit privaten Vermieter*innen, städtische Liegenschaften, der Umbau von ehemaligen Notunterkünften oder der Neubau von Wohnungen. Die Wohnungsmiete wird wie üblich zuerst über zustehende Sozialleistungen finanziert.

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